Widerstand und Solidarität – Gut besuchte Ausstellungseröffnung


Auf dem Tübinger Marktplatz gegen die Obristen
Zeitgeschichte Eine Ausstellung im Landratsamt Tübingen beleuchtet die
Jahre der Diktatur in Griechenland und den Widerstand dagegen, der auch
von Exilgriechen und Deutschen in der Bundesrepublik unterstützt wurde.
Am 8. Juli 1972 wurden vier Studierende aus Tübingen und Reutlingen in Griechenland verhaftet. Eine von
ihnen war die 19-jährige Susanne Bausinger, Tochter des Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger. Erst kurz
vor Weihnachten kamen sie wieder frei.
Die griechischen Machthaber, die sich 1967 an die Regierung geputscht hatten, warfen dem Quartett vor, sie
hätten die Deutschgriechin Edith Ekonomou aus dem Land schleusen wollen. Den Diktaturjahren von 1967 bis
1974 widmet sich die Ausstellung “Widerstand und Solidarität – Die Unterstützung des griechischen
Widerstands gegen die Militärjunta durch deutsche Parteien, Gewerkschaften und politische Stiftungen” im
Landratsamt Tübingen.
Zur Vernissage am Dienstagabend kamen zirka 180 Besucher/innen. Dort konnten sie Zeitzeugen Jürgen
Obermayer und Ernst Zorer, zwei der damals Verhafteten, kennenlernen.
“Wir alle sahen es als Lebensaufgabe, Unterdrückung und Ausbeutung zu bekämpfen”, sagte Zorer. In
griechischer Haft wurde er hin und wieder zusammengeschlagen, wie er sagte. Bei mehreren
Scheinhinrichtungen musste er auch schwere Folter erdulden.
Jürgen Obermayer, damals 27-jähriger Germanistik- und Anglistikstudent in Tübingen und später
Oberstudienrat in Bad Urach, hat erlebt, wie sein griechischer Mitgefangener Anastassios Minis, im Zweiten
Weltkrieg hochdekorierter Luftwaffenoffizier und erklärter Junta-Gegner, mit Elektroschocks gequält wurde.
“Den hat man 111 Tage sehr hart gefoltert.”
Die Ausstellung wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Deutsch-Griechischen
Gesellschaft Tübingen/Reutlingen ins Landratsamt geholt. Anja Dargatz ist Büroleiterin des baden-
württembergischen Ablegers der Stiftung, des Fritz-Erler-Forums. Für Dargatz zeigt die Schau, die mit
Unterstützung sozialhistorischer Archive in Athen zustande kam, “dass Menschen solidarisch waren mit
anderen, die in Unfreiheit lebten”.
Die Schautafeln zeigen beispielsweise eine Demonstration auf dem Tübinger Marktplatz 1967, deren Teilnehmer
auf Deutsch und Griechisch “Freiheit, Demokratie, Normalisierung” forderten. In der Bundesrepublik
organisierten Exilgriechen den Widerstand gegen die Diktatur, unterstützt von der deutschen Bevölkerung,
Gewerkschaften, Parteien, Studierenden – und auch den hiesigen Behörden, berichtete Rita Haller-Haid von der
Deutsch-Griechischen Gesellschaft. Die ersten Protestkundgebungen in Tübingen gab es schon wenige Tage
nach dem Militärputsch vom 21. April 1967.
“Griechische Gastarbeiter, wie man sie damals nannte”, so Haller-Haid, “taten sich zusammen, suchten Kontakt
zu Intellektuellen.” Auch in der Region Tübingen-Reutlingen formierten sich antidiktatorische Gruppen wie die
Panhellenische Befreiungsbewegung und die Patriotische Front, aus der später wichtige griechische Parteien
hervorgingen.
Besonders unter jungen Leuten sei der Abscheu gegen ein neues faschistisches Regime in Europa, das erste
nach der NS-Zeit, sehr groß gewesen. Die Parole “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg” sei damals
wesentlich wichtiger gewesen als der viel zitierte Satz vom Muff unter den Talaren, sagte Haller-Haid. Der
Widerstand gegen den Faschismus wurde auch zum Bindeglied zwischen der Studenten- und der
Arbeiterbewegung, in erster Linie der antidiktatorischen griechischen Arbeiterbewegung.
Nach dem deutsch-griechischen Anwerbeabkommen 1960 entwickelte sich besonders Pfäffingen zu einem der
griechischen Dörfer im Landkreis, berichtete Kreisarchivar Wolfgang Sannwald über die damalige
Arbeitsmigration. Griechenland bekam durch die Abwanderung massive Probleme: “Manche Dörfer büßten die
Hälfte ihrer Bewohner ein.” In der Folge fehlten Arbeitskräfte bei der Olivenernte, in der Landwirtschaft
überhaupt, in unterschiedlichen Industriebranchen und auf dem Bau.
Die Feststimmung bei der Vernissage beflügelten die Bouzoukigruppe Fantasia und die Kinder und Jugendlichen
der Tanzgruppe Rea. Im Rahmen der Ausstellung soll es einen weiteren Zeitzeugen-Abend geben, bei dem auch
Susanne Bausinger zugegen sein soll, so Haller-Haid. Der Termin steht noch nicht fest.
Info Die Ausstellung ist zu sehen bis Freitag, 28. Oktober, in der Glashalle des Landratsamts, Wilhelm-Keil-
Straße 50. Mo. bis Do. 8 bis 18Uhr, Fr. 8 bis 14Uhr.
Bei der Ausstellung im Landratsamt wird auch die Verhaftung von vier Studierenden aus Tübingen-Reutlingen
wieder aufgerollt.

Schwäbisches Tagblatt, 19.10.2017

Rita Haller-Haid im Gespräch mit den Zeitzeugen. Foto: FES/Farber

Rita Haller-Haid im Gespräch mit den Zeitzeugen. Foto: FES/Farber