Griechenland. Deutschland. Wir.
Tübingen, Mai/Juni 2017 – Veranstaltungsreihe


Deutschland und Griechenland sind auf vielfältige Weise miteinander verwoben. So gibt es in Tübingen viele über Jahre gewachsene freundschaftliche Beziehungen zwischen Menschen griechischer und deutscher Herkunft, auf staatlicher Ebene aber auch große Belastungen.

Zum Beispiel geschichtlich: Die deutsche Besatzung von 1941 bis 1944 wirkt bis heute nach. In Griechenland ist der blutige Terror durch Wehrmacht und SS unvergessen, in Deutschland werden die Besatzungsverbrechen meist verdrängt oder gar ganz geleugnet. Die Ausplünderungen und Zerstörungen durch die Deutschen sind ein Grund dafür, dass sich Griechenland nach 1945 wirtschaftlich nur schlecht entwickeln konnte.

Zum Beispiel aktuell: Unter dem deutschen Diktat hat die so genannte „Troika“ (EU, Europäische Zentralbank und IWF) der griechischen Regierung ein hartes Sparprogramm aufgezwungen. Dazu gehören auch neoliberale Arbeitsmarkt-Reformen und Privatisierungen.

Und wir? In Griechenland versuchen viele Initiativen, sich der neoliberalen Austeritätspolitik entgegen zu stellen und das Überleben im Alltag zu organisieren. Diese Initiativen brauchen internationale Solidarität, vor allem auch im wohlhabenden Zentrum der EU.

Und auch das hat seine Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen unzähligen Massakern folgten der Bürgerkrieg und später die Junta. Eine Zeit, in der viele Griechinnen und Griechen aus wirtschaftlicher Not oder aus politischen Gründen hier in Tübingen und der Region eine neue Heimat gefunden haben.

Mit einer Reihe von Veranstaltungen wollen wir an die gemeinsame Geschichte erinnern und uns mit den Auswirkungen der Finanzkrise und der europäischen Austeritätspolitik auseinandersetzen. Welche Alternativen gibt es dazu? Wie können wir internationale Solidarität erfahrbar machen?

Montag, 22. Mai 2017, 20 Uhr, Club Voltaire (Haaggasse 26b)

Wiederaufbau statt Deregulierung in Griechenland

Vortrag und Diskussion mit Prof. Wolfgang Däubler, Bremen

Noch immer verschlechtert sich die Situation auf dem griechischen Arbeitsmarkt. Inzwischen sind mehr als eine Million Menschen ohne Job, ein trauriger Rekord. Besonders hart betroffen sind junge Leute, die in Scharen das Land verlassen. Hintergrund dieser Entwicklung sind neben der allseits bekannten Austeritätspolitik die jahrelangen Deregulierungen des Arbeitsmarktes. Unter anderem wurde die Tarifautonomie faktisch abgeschafft. Das Streikrecht wurde eingeschränkt und die Gewerkschaften wurden praktisch entmachtet.

Im Jahr 2016 hat eine europäische Expertenkommission ein Konzept für eine Re-Regulierung des griechischen Arbeitsmarkts vorgelegt. Prof. Wolfgang Däubler hat dieser Kommission angehört. Wie sehen diese Vorschläge aus und wie können neue Arbeitsplätze in Griechenland entstehen?

Donnerstag, 1. Juni, 20 Uhr, Club Voltaire (Haaggasse 26b)

Solidarität und Selbstbestimmung in Zeiten der Krise

Die Besetzung von VIO.ME und solidarische Initiativen in Griechenland

Diskussion mit John Malamatinas (Griechenland-Solidaritätskomitee Köln)

Die ehemalige Baustoff-Fabrik VIO.ME in Thessaloniki wurde von den Arbeiter_Innen 2011 besetzt, nachdem die Eigentümer über Nacht mit Lohnschulden geflohen waren und die Firma Insolvenz anmelden musste. Seit 2013 organisieren die Besetzer_Innen selbstverwaltet und basisdemokratisch nicht nur die Produktion von ökologischen Reinigungsmitteln. Das Projekt VIO.ME ist über die unmittelbare Selbsthilfe hinaus auch politisch wirksam: Es beteiligt sich an sozialen und politischen Kämpfen, regional wie international. Im Oktober 2016 fand in den VIO.ME-Werkshallen ein internationaler Kongress selbstverwalteter Betriebe statt.

Der Autor und Journalist John Malamatinas vom Griechenland Solidaritätskomitee Köln kann die Entwicklung von VIO.ME seit der Besetzung aus erster Hand schildern. Er hat außerdem engen Kontakt zu anderen auf Solidarität und Selbstverwaltung beruhenden Projekten in Griechenland.

Wir wollen mit ihm über die Entstehung und die Perspektiven solidarischer Alternativen im Kapitalismus am Beispiel Griechenlands diskutieren.

(Mitveranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg)

Sonntag, 25. Juni, 11 Uhr, D.A.I. (Karlstraße 3)

Film-Matinee: Ein Lied für Argyris

Der Dokumentarfilm von Stefan Haupt (2006, 105 Minuten) stellt auf intime und reflektierende Weise den Umgang mit historischer Schuld, die Schwierigkeiten einer Aussöhnung und die Suche nach Frieden dar. „Argyris Sfountouris war noch keine vier Jahre alt, als deutsche Besatzungssoldaten am 10. Juni 1944 seine Eltern und 216 weitere Bewohner des griechischen Bauerndorfes Distomo grauenhaft hinmetzelten. Seither wartet der mittlerweile 77-jährige Argyris auf eine wenigstens symbolische Wiedergutmachung und kämpft für eine wahrheitsgetreue Geschichtsschreibung und die Aufarbeitung deutscher Kriegsverbrechen in Griechenland“ (Aus dem Buch „Trauer um Deutschland“ von Argyris Sfountouris).

Nach dem Film wird der Tübinger Rechtsanwalt Argiris Balomatis über die bis heute unvollständige juristische Aufarbeitung deutscher Kriegsverbrechen in Griechenland berichten.

Zur Einstimmung: 

Mittwoch, 17. Mai, 20.30 Uhr, Kulturzentrum franz.K, Reutlingen:

Locomondo

Locomondo ist eine der angesagtesten und erfolgreichsten Bands Griechenlands. Die sieben Musiker aus Athen um den charismatischen Frontman Markos Koumaris verschmelzen gekonnt Reggae, Ska und karibischen Sound mit traditionellen griechischen Musikelementen. Neben den verschiedenen Musikinstrumenten wird dem Publikum eine Vielfalt an Sprachen geboten, der Lead-Sänger „Markos Koumaris“ wechselt nahezu unbemerkt von Deutsch über Griechisch zu Englisch, Spanisch und Italienisch innerhalb der Songs.